True Crime: Die Faszination an der Erzählung wahrer Verbrechen erlebt derzeit einen neuen Hype, in Podcasts und Zeitschriften. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es dieses Genre, ein erster Höhepunkt war sicherlich Truman Capotes Reportage-Roman „Kaltblütig“ von 1966. Und seit 1967 lockt in Deutschland „Aktenzeichen XY… ungelöst“ die Massen vor den Bildschirm…

True Crime: Das ist mehr als eine spannende Sparte des Kriminalgenres zwischen Fiktion und Realität. In ihren besten Ausprägungen erzählen die Schilderungen von wahren Verbrechen etwas über die Gesellschaft, die Zeit und die Welt, in der diese Untaten geschehen.

Kaltblütig

Kaltblütig

(In Cold Blood)
USA 1967. R: Richard Brooks. D: Robert Blake, Scott Wilson, John Forsythe. 135 Min. EnglOmdtU. FSK: 16

Im November 1959 wurde die vierköpfige Familie Clutter auf ihrer Farm kaltblütig ermordet. Die Täter, Perry Smith und Dick Hickock, hatten im Haus Geld vermutet. 1966 veröffentlichte Truman Capote einen dokumentarischen Roman über diesen Kriminalfall. Die Verfilmung ein Jahr später greift dessen Ansatz auf, das wahrheitsgemäße Erzählen von Tatsachen so spannend zu gestalten wie ein raffinierter, fiktionaler Krimi: Sie schildert die Vorgeschichte der beiden Täter ebenso wie das Lebensumfeld der Opfer, die Tat selbst, die Flucht der Mörder bis zu ihrer Ergreifung, Verurteilung und Hinrichtung im Jahr 1965. Gefilmt wurde an Originalschauplätzen in Kansas, auch einige der damaligen Geschworenen spielen sich selbst. Richard Brooks inszenierte eine klinisch genaue Rekonstruktion, die trotz – oder wegen – ihrer Nüchternheit nachdrücklich, beklemmend, unerbittlich wirkt.

Einführung: Robert Hörr

Mo. 15.04.2024, 19:30 Uhr

Der Fall Randall Adams

Der Fall Randall Adams

(The Thin Blue Line)
USA 1988. R: Errol Morris. Dokumentarfilm. 103 Min. Englische Originalfassung. FSK: 12

Ende November 1976 wird der texanische Polizist Robert W. Wood bei einer Fahrzeugkontrolle erschossen. Verdächtig sind der minderjährige David Ray Harris wie auch Randall Adams – dieser wird angeklagt und zum Tode verurteilt.

Errol Morris, einer der renommiertesten zeitgenössischen Dokumentarfilmer (THE FOG OF WAR), stieß auf den Adams-Fall in der Überzeugung, dass ein Justizirrtum vorliegt: Beim Prozess waren die Indizien gegen den zweiten Verdächtigen unter den Tisch gefallen. Mit seinen Recherchen und Interviews konnte Morris tatsächlich Widersprüche und Meineide aufdecken: nach Veröffentlichung des Films wurde Randall Adams 1989 freigesprochen.

Morris nutzt spielfilmartige Stilmittel, etwa nachgespielte Szenen – damals höchst ungewöhnlich in einem Dokumentarfilm – oder Filmmusik von Philip Glass. 2008 urteilte Variety, DER FALL RANDALL ADAMS sei „das politischste Kinowerk der letzten 20 Jahre“, Sight and Sound zählte den Film 2014 zum fünftbesten Dokumentarfilm aller Zeiten.

Einführung: Manuel Hugenschmidt

Mo. 13.05.2024, 19:30 Uhr

Heavenly Creatures

NZL/GBR/DEU 1994. R: Peter Jackson. D: Melanie Lynskey, Kate Winslet, Sarah Peirse. 108 Min. EnglOmdtU. FSK: 16

Die Teenager Pauline Parker und Juliet Hulme (Kate Winslet in ihrer ersten Kinorolle!) sind immer zusammen, entwickeln gegen die Langeweile ihres Daseins Fantasiewelten, schwärmen für den Opernsänger Mario Lanza und den Schauspieler Orson Welles, kurz: Sie sind beste Freundinnen. Oder sogar mehr? Im Neuseeland Mitte der 1950er gilt Homosexualität als psychische Krankheit, die geheilt werden muss. Die Eltern beschließen,  die beiden zu trennen – und Pauline entwickelt einen mörderischen Plan.

Am 22. Juni 1954 erschlugen die Freundinnen die Mutter von Pauline – diese hatte der Tochter verboten, zusammen mit Juliet nach Südafrika auszuwandern. Peter Jackson, der zuvor spaßige Splatterfilme gedreht hatte und danach die HERR DER RINGE-Trilogie erschaffen sollte, wurde mit diesem einfühlsamen Teenager-Kriminaldrama international bekannt – er gewann in Venedig den Goldenen Löwen.

Einführung: Manuel Hugenschmidt

Di. 18.06.2024, 19:30 Uhr

Henry: Portrait of a Serial Killer

Henry: Portrait of a Serial Killer

USA 1986. R: John McNaughton. D: Michael Rooker, Tracy Arnold, Tom Towles. 82 Min. EnglOmdtU. FSK: 18

Henry lebt bei seinem Haft-Kumpel Otis und dessen Schwester Becky. Henry prahlt, seine Mutter ermordet zu haben, fühlt sich zu Becky hingezogen – wie auch Otis seine Schwester begehrt. Eines Abends bringt Henry vor Otis zwei Prostituierte um – künftig werden die beiden zahlreiche weitere Menschen killen, ohne dass Becky etwas davon ahnt. Irgendwann muss auch Otis dran glauben, Becky flieht mit Henry…

Der Film, der nüchtern und realistisch das Leben eines Chicagoer Serienmörders beschreibt, basiert auf dem Fall von Henry Lee Lucas, der 1984 für drei Morde zum Tod verurteilt wurde – er hatte freilich (mutmaßlich gelogen) 600 Tötungen gestanden. John McNaughton begleitet den Killer mit der Kamera nicht auf reißerische Weise, sondern als Schilderung eines gewalttätigen, widersprüchlichen Menschen in einer gewalttätigen, widersprüchlichen Welt.

Einführung: Christian Scheuermann

Mo. 15.07.2023, 19:30 Uhr